Psychische Erkrankungen - Zwangsstörungen

Etwa 2-3 Prozent der Bevölkerung in Deutschland entwickeln mindestens einmal im Leben eine Zwangsstörung. Frauen und Männer sind dabei in etwa gleich betroffen. Die Betroffenen leiden unter immer wiederkehrenden Gedanken und Impulsen, die praktisch nicht zu unterdrücken sind. Die Zwänge beginnen meist in der Kindheit oder am Ende der Pubertät. Bei vielen Betroffenen geht der Erkrankung eine Lebensphase mit erhöhtem Stresslevel oder einem enorm belastenden Ereignis, wie beispielsweise dem Tod eines Angehörigen, voraus.

Was ist eine Zwangsstörung?

Wer an Zwängen leidet, verspürt beispielsweise den Drang, ständig kontrollieren zu müssen, ob eine Tür abgeschlossen oder der Herd ausgeschaltet ist. Viele haben Angst vor Krankheitserregern und waschen sich daher überdurchschnittlich häufig die Hände. Betroffenen mit Zwangsgedanken drängen sich Vorstellungen auf, die bei ihnen Angst, Ekel oder Unbehagen auslösen.

Viele Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen können alltäglichen Befürchtungen ähnlich sein, sie werden von den Betroffenen jedoch weitaus intensiver erlebt. Medizinerinnen und Mediziner sprechen von einer Zwangsstörung, wenn sich eine Person mindestens eine Stunde pro Tag mit einem Zwang beschäftigt.

Betroffene sind sich ihres Problems fast immer bewusst und erkennen in vielen Fällen auch die Sinnlosigkeit ihrer Gefühle und Handlungen. Weil sie die Zwänge häufig als sehr stark empfinden, leiden sie nicht selten unter Schamgefühlen und verheimlichen ihre Erkrankung meist über mehrere Jahre, ehe sie sich einer Ärztin / einem Arzt oder einer Psychotherapeutin/einem Psychotherapeuten anvertrauen.

Ursachen einer Zwangsstörung

Die Ursachen von Zwängen können sehr vielfältig sein. In der Regel tragen verschiedene Faktoren zur Entstehung einer Zwangsstörung bei, die einzeln betrachtet noch nicht zum Zwang führen. Dazu zählen

  • erbliche Veranlagung
  • Veränderungen im Gehirn
  • Erziehung
  • außergewöhnliche seelische Belastungen
  • bestimmte Persönlichkeitsmerkmale

Erst die Kombination mehrerer der genannten Risikofaktoren erhöht die Wahrscheinlichkeit zu erkranken.

Formen einer Zwangsstörung

Frauen, die unter einer Zwangsstörung leiden, müssen immer wieder bestimmte Handlungen ausführen oder bestimmte Gedanken denken. Typische Zwangshandlungen sind zum Beispiel:

  • Reinigungs- und Waschzwänge: Unablässiges Putzen und Reinigen von bestimmten Haushaltsgegenständen, Exzessives Händewaschen oder Duschen
  • Kontrollzwänge: Sich immer wieder davon zu überzeugen, dass die Haustür richtig verschlossen ist
  • Wiederhol- und Zählzwänge: Wiederholen alltäglicher Tätigkeiten wie Zähneputzen, Zählen von Pflastersteinen oder Büchern
  • Sammelzwänge: Aufheben von Notizen, Zeitungen, kaputter Möbel und ähnlichem
  • Ordnungszwänge: Sortieren von Konservendosen, Stiften, Wäsche nach einem ganz bestimmten Muster
  • Zwanghafte Langsamkeit: für alltägliche Handlungen sind oft Stunden nötig, z.B. durch das Bürsten jeder einzelnen Haarsträhne
  • Zwangsgedanken ohne Zwangshandlungen: aufdringliche Gedanken mit aggressivem, religiösen oder sexuellen Inhalten verbunden mit der Angst, diese irgendwann in die Tat umzusetzen

Anzeichen einer Zwangsstörung

Dass die Zwangshandlungen und -gedanken unsinnig sind, wissen die Betroffenen, sie können jedoch nur schwer dagegen ankämpfen. Viele Menschen, die versuchen, sich gegen die Zwänge zu wehren und diese unterdrücken, empfinden Angst und Anspannung, oder sogar eine Zunahme der belastenden Gedanken und der Zwänge.

In den meisten Fällen sind die Zwänge mit einer Bedrohung verknüpft: Geben die Betroffenen dem Zwang nicht nach, haben sie das Gefühl, dass dadurch etwas Schlimmes passieren wird. Beispielsweise müssen manche betroffenen Frauen regelmäßig kontrollieren, ob der Herd ausgeschaltet ist: Wenn sie das nicht tun, könnte das Haus niederbrennen. Wer unter einer Zwangsstörung leidet, kann sich oft nur durch häufiges Wiederholen der Handlung oder des Gedankens beruhigen. Dies nimmt meistens sehr viel Zeit in Anspruch und kann die Lebensqualität erheblich einschränken. Menschen mit Zwangsstörungen leiden außerdem häufig an anderen psychischen Erkrankungen wie zum Beispiel Depressionen, Tic- und Angststörungen oder Suchterkrankungen. Auch Hauterkrankungen beispielsweise Ekzeme können durch zwanghaftes Waschen hervorgerufen werden.

Eine Zwangsstörung liegt vor, wenn:

  • Zwangsgedanken und Zwangshandlungen an den meisten Tagen über einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen vorkommen
  • Die Betroffenen die Gedanken oder Handlungen als von innen heraus verursacht wahrnehmen (nicht von anderen Personen oder Einflüssen eingegeben)
  • Die Gedanken oder Handlungen sich ständig wiederholen und als unangenehm erlebt werden; mindestens ein Zwangsgedanke oder Zwangshandlung wird als übertrieben und unsinnig erkannt
  • Die Betroffenen versuchen, sich gegen die Handlungen oder Gedanken zu wehren; dies gelingt ihnen jedoch bei mindestens einem Gedanken oder einer Handlung nicht
  • Die Betroffenen unter den Gedanken oder Handlungen leiden, selbst wenn sie kurzfristig Erleichterung bringen
  • Die Betroffenen einen Verlust an Lebensqualität erleiden und/oder in ihrer sozialen oder individuellen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt sind (meist durch den hohen Zeitaufwand)
  • Andere Erkrankungen, wie etwa Schizophrenie, als Ursache ausgeschlossen werden können

Bei vielen Betroffenen tritt die Zwangsstörung einmal mehr, einmal weniger stark auf. Viele berichten sogar davon, dass die Symptome vorübergehend völlig verschwinden, aber nach einiger Zeit wieder­kommen.

Diagnose einer Zwangsstörung

Eine Zwangsstörung ist nicht immer einfach festzustellen. Häufig verleugnen oder verharmlosen die Betroffenen die Anzeichen und begeben sich wegen anderer Beschwerden wie beispielsweise Hauterkrankungen in Behandlung. Sollten Sie Anzeichen für eine Zwangsstörung bei sich feststellen, sollten Sie sich in ärztliche Behandlung begeben.

Die Ärztin / der Arzt beziehungsweise die Psychotherapeutin / der Psychotherapeut erkundigt sich während eines Gesprächs zunächst nach den genauen Beschwerden. Als zusätzliche Hilfestellung stehen dafür bestimmte Fragebögen zur Verfügung, mit denen sich die Symptome genauer einordnen lassen.

Erste Hinweise auf eine Zwangsstörung können bereits folgende Fragen geben:

  • Waschen und putzen Sie sehr viel?
  • Kontrollieren Sie sehr viel?
  • Haben Sie quälende Gedanken, die Sie loswerden möchten, aber nicht können?
  • Brauchen Sie für Alltagstätigkeiten sehr lange?
  • Machen Sie sich Gedanken um Ordnung und Symmetrie?

In manchen Fällen kann es auch hilfreich sein, Angehörige in die Untersuchung miteinzubeziehen, um die Auswirkungen der Zwangshandlungen auf die Lebensqualität der Betroffenen genauer festzustellen.

Behandlung einer Zwangsstörung

Zwangsstörungen lassen sich durch eine Kombination aus Verhaltenstherapie und Medikamenten generell gut behandeln. Damit eine spürbare Verbesserung eintritt, müssen Zwangserkrankungen jedoch häufig intensiv behandelt werden. Dass die Symptome gänzlich verschwinden, ist eher selten. Allerdings empfinden rund 50 bis 70 Prozent der Betroffenen, dass durch eine kognitive Verhaltenstherapie ihre belastenden Beschwerden deutlich gelindert wurden. Darüber hinaus können Entspannungsverfahren, wie zum Beispiel Autogenes Training oder Atemübungen helfen, dass sich die Beschwerden nicht verstärken.

Welche Art der Therapie für Sie am besten geeignet ist, entscheiden Sie zusammen mit Ihrer Ärztin / Ihrem Arzt, die/der Sie hierzu umfassend beraten kann. Eine wichtige Rolle spielen vor allem der Schweregrad Ihrer Erkrankung sowie Ihre Wünsche und Vorstellungen.

Ein in Deutschland anerkanntes Verfahren ist die kognitive Verhaltenstherapie. Dabei wird Ihnen Ihre Therapeutin / Ihr Therapeut helfen negative Denkmuster zu erkennen und schrittweise zu ändern. Bei der sogenannten „kognitiven Verhaltenstherapie mit Expositions-Reaktionsmanagement“ werden betroffene Frauen Schritt für Schritt den Reizen ausgesetzt, welche die Zwangshandlungen normalerweise auslösen (Exposition). Die Therapeutin oder der Therapeut begleitet die Situationen.

Die Betroffenen lernen, die unangenehmen Gefühle und die Anspannung auszuhalten, ohne die Zwangshandlung auszuführen (Reaktionsmanagement). Sie machen dabei die Erfahrung, dass ihnen auch ohne die Zwangshandlung als Beruhigungsritual nichts passiert. Ebenso wichtig ist die Erkenntnis, dass Angst und Anspannung sich nicht ins Unermessliche steigern, sondern mit der Zeit von alleine abklingen. Die Zwangsgedanken und Zwangshandlungen verlieren auf diese Weise nach und nach an Intensität. Vor Beginn der Behandlung sollten Sie sich bei Ihrer Krankenkasse erkundigen, ob und für welche Therapien sie die Kosten übernimmt.

Als Medikamente bei Zwangserkrankungen werden vor allem sogenannte selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) verordnet. Diese Medikamente zählen zu den Antidepressiva und werden bei Depressionen eingesetzt, sie wirken aber auch bei Zwängen.

Die bei der Behandlung eingesetzten Medikamente können Nebenwirkungen haben. Dazu zählen unter anderem Appetitlosigkeit, Übelkeit und Durchfall, innere Unruhe und Schlafstörungen sowie Störungen der Sexualität. Diese lassen sich bei richtiger Anwendung oft vermeiden. Sprechen Sie mit Ihrer Ärztin / Ihrem Arzt oder Ihrer Psychotherapeutin / Ihrem Psychotherapeuten über Ihre Vorstellungen und die Nebenwirkungen, die Sie beobachten, damit Sie gemeinsam die beste Lösung finden können.

Aktionsbündnis Seelische Gesundheit (o.J.). Reden hilft. www.seelischegesundheit.net/wissen/stigma/; letzter Zugriff: 21.06.2024

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Neurologen und Psychiater im Netz. Das Informationsportal zur psychischen Gesundheit und Nervenerkrankungen. Herausgegeben von Berufsverbänden und Fachgesellschaften für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland und der Schweiz. Was sind Zwangserkrankungen?: www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatrie-psychosomatik-psychotherapie/erkrankungen/zwangserkrankungen/was-sind-zwangserkrankungen/; letzter Zugriff: 21.06.2024

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Letzte Aktualisierung: Juni 2024