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Kopfschmerzerkrankungen noch immer unterbehandelt
Nicht einmal jeder zehnte Migräne-Betroffene erhält spezifische Migräne-Medikamente
In Deutschland sind Kopfschmerzerkrankungen noch immer unterbehandelt. Viele Migräne-Betroffene behelfen sich mit freiverkäuflichen Schmerzmitteln, ohne die Risiken zu kennen. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutsche Hirnstiftung mahnen: Die Kopfschmerztherapie gehört in fachärztliche Hände. Wichtig ist zudem „Migräne-Auslöser“ zu vermeiden. Jüngst sind zwei neue bekannt geworden.
Am 5. September 2024 ist Kopfschmerz- und Migräne-Tag. Dieser Aktionstag ist wichtig, denn in Deutschland sind Kopfschmerzerkrankungen noch immer unterbehandelt. Viele Betroffene holen keinen ärztlichen Rat ein, sondern behelfen sich mit freiverkäuflichen Schmerzmitteln, ohne die Risiken zu kennen. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutsche Hirnstiftung mahnen: Die Kopfschmerztherapie gehört in fachärztliche Hände. Wichtig ist zudem, den Lebensstil zu modifizieren und „Migräne-Auslöser“ zu vermeiden. Jüngst sind zwei neue bekannt geworden.
Kopfschmerzerkrankungen sind häufig. 14,8 % aller Frauen und 6,0 % der Männer erfüllen die Diagnosekriterien für Migräne [1]. Unter Spannungskopfschmerzen leiden etwa 10 % der Frauen und 6,5 % der Männer. Die Zahl der Menschen, die sich wegen Kopfschmerzen krankschreiben lassen, hat sich seit 2003 insgesamt vervierfacht, auch jüngere Menschen sind häufig betroffen [2]. Gerade eine Migräne, die neben Schmerzen oft auch mit Übelkeit und Erbrechen einhergeht, beeinträchtigt die Lebensqualität der Betroffenen stark.
Bei Migräne ärztlichen Rat einholen!
Doch es gibt wirksame Medikamente: seit langem schon die Triptane, und neuerdings auch Gepante und Ditane. Diese speziellen Migränemedikamente wirken bei einer Migräne-Attacke nicht nur gegen die Schmerzen, sondern auch gegen Übelkeit und Erbrechen. Die Daten einer repräsentativen bevölkerungsbezogenen Studie in Deutschland des Robert Koch-Instituts aus dem Jahr 2020 [1] zeigten allerdings, dass lediglich 7,3 % der betroffenen Migräne-Patientinnen und -Patienten zur Therapie akuter Kopfschmerzattacken Triptane einnahmen. Die Mehrheit der Betroffenen verwendete freiverkäufliche Schmerzmittel, die nicht speziell gegen Kopfschmerzen entwickelt wurden: 46 % behandelten ihre Migräneattacken mit Ibuprofen, 17 % mit Paracetamol und 10 % mit Acetylsalicylsäure. Das deutet darauf, dass viele Menschen mit Migräne keinen ärztlichen Rat einholen, denn viele der Triptane müssen ärztlich verschrieben werden. „Das ist schade, denn vielen Betroffenen könnten Schmerzen erspart werden. Es wird unterschätzt, dass die Migräne eine neurologische Krankheit ist, bei der eine neurologische Betreuung angeraten ist. Beispielsweise wissen wir, dass eine Migräne zu einem höheren Schlaganfallrisiko bei jüngeren Menschen führt [3]“, erklärt Prof. Dr. med. Frank Erbguth, Präsident der Deutschen Hirnstiftung.
Eine langfristige Einnahme von freiverkäuflichen Schmerzmitteln kann der Gesundheit schaden
Der Experte weist darauf hin, dass die Einnahme von freiverkäuflichen Schmerzmitteln ohne Rücksprache mit der Ärztin/dem Arzt meistens nicht nur weniger effektiv, sondern langfristig auch gefährlich sein kann. So können beispielsweise Medikamente der Wirkstoffklasse der nichtsteroidalen Antirheumatika (NSRA) bei häufigem und mehrjährigem Gebrauch so die Nieren schädigen, dass eine Dialyse erforderlich wird. „Hinzu kommt das Risiko eines Medikamentenübergebrauchskopfschmerzes, denn Schmerzmittel können bei zu häufiger Anwendung Kopfschmerzen auslösen. Das Risiko besteht grundsätzlich auch bei Triptanen, aber die behandelnde Ärztin/der behandelnde Arzt hat im Blick, wie viel verschrieben wird und kann bei Bedarf andere moderne Präparate kombinieren, so dass die maximale Triptan-Dosis nicht überschritten wird“.
Nicht medikamentöse Maßnahmen sind wichtig
Die Deutsche Hirnstiftung weist auf Möglichkeiten der Vorbeugung hin: „Wer unter Migräne leidet, sollte regelmäßig Ausdauersport treiben, das senkt die Anfallshäufigkeit und die Stärke des Schmerzes.“ Auch sollten die bekannten Auslöser einer Attacke, die individuell ganz unterschiedlich sein können, vermieden werden. „Bei einem Patienten ist es grelles Licht, bei einer anderen Patientin Lärm. Auch Übermüdung und Stress spielt eine Rolle. Außerdem ist bekannt, dass Alkohol die Entstehung von Migräneattacken begünstigt“, so Erbguth.
Zwei neue Migräne-Risikofaktoren: Zu hoher diastolischer Blutdruck bei Frauen und Einnahme von Medikamenten gegen Sodbrennen
Im Sommer sind zwei Studien publiziert worden, die auf neue Migräne-Risikofaktoren hindeuten. Die eine zeigte eine Assoziation zwischen der Einnahme von säurebindenden Medikamenten gegen Sodbrennen auf [4]: Unter Therapie mit Protonenpumpenhemmer, kurz PPI, war das Migräne-Risiko 70 % höher, unter H2-Hemmern 40 % höher und unter generischen Antazida 30 %. „Viele Menschen nehmen unbedacht derartige ‚Magenschutz-Medikamente‘ ein, z. T. auch dauerhaft oder prophylaktisch, insbesondere, wenn bei Kopfschmerzen häufig nicht spezifische Schmerzmittel benötigt werden. Dieses Problem haben Triptane nicht. Sie wirken besser und machen kein Sodbrennen“, erklärt DGN-Generalsekretär Prof. Dr. Peter Berlit.
Eine weitere Studie [5] zeigte, dass hohe diastolische Blutdruckwerte (≥ 90 mm Hg) bei Frauen mit einer höheren Migräne-Prävalenz vergesellschaftet sind. „Warum hohe diastolische Blutdruckwerte bei Frauen in einem höheren Maße als bei Männern mit Migräne korreliert sind, bleibt zu untersuchen. Da aber bekannt ist, dass regelmäßiger Sport zu einer Senkung insbesondere der diastolischen Blutdruckwerte führt, gibt es einen zusätzlichen Grund. bei Migräne körperlich aktiv zu sein“, betont Prof. Berlit.
[1] Porst M, Wengler A, Leddin J, Neuhauser H, Katsarava Z, von der Lippe E, et al. Migraine and tension-type headache in Germany. Prevalence and disease severity from the BURDEN 2020 Burden of Disease Study. Journal of Health Monitoring. 2020; 5(S6): 2–24.
[2] AOK Rheinland/Hamburg. Krankschreibungen aufgrund von Kopfschmerzen haben sich seit 2003 vervierfacht. Pressemeldung vom 29.08.2023.
[3] Leppert MH, Poisson SN, Scarbro S et al. Association of Traditional and Nontraditional Risk Factors in the Development of Strokes Among Young Adults by Sex and Age Group: A Retrospective Case-Control Study. Circ Cardiovasc Qual Outcomes 2024 Apr; 17 (4): e010307.
[4] Slavin M, Frankenfeld CL, Guirguis AB et al. Use of Acid-Suppression Therapy and Odds of Migraine and Severe Headache in the National Health and Nutrition Examination Survey. Neurol Clin Pract 2024;14 (3): e200302.
[5] Al-Hassany L, Acarsoy C, Ikram MK et al. Sex-Specific Association of Cardiovascular Risk Factors With Migraine: The Population-Based Rotterdam Study. Neurology. 2024 Aug 27; 103 (4): e209700.
Zitiert nach einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie e. V. vom 29.08.2024
Organisationen
Das Frauengesundheitsportal bietet zum Thema "Psychische Gesundheit von Frauen" folgenden Überblick zu:
Reden hilft
Das Bündnis Seelische Gesundheit setzt sich dafür ein, dass psychische Erkrankungen kein Tabuthema mehr sind und Betroffene schnell Hilfe erhalten.
Essstörungen
Betroffene von Essstörungen und ihre Angehörigen benötigen häufig professionelle Unterstützung, um das Problem gemeinsam zu bewältigen. Die BZgA bietet Informationen sowie Hinweise zu Beratungs- und Präventionsangeboten.
Konzeption und Umsetzung von Interventionen zur Entstigmatisierung seelischer Erkrankungen
Die Studie erfasst systematisch, welche Strategien zur Bekämpfung der Stigmatisierung seelischer Erkrankungen wirksam sind und welche Faktoren bei der Planung von Maßnahmen berücksichtigt werden sollten.
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Wege zur Psychotherapie
Die Bundes Psychotherapeuten Kammer (BPtK) bietet in ihrer aktuellen Broschüre "Wege zur Psychotherapie" einen Überblick, was eine Psychotherapie ist, wer die Kosten für eine Behandlung übernimmt und was Ihre Rechte als Patientin sind.