Psychische Erkrankungen - Angststörung

Angststörungen sind die häufigsten psychischen Erkrankungen noch vor Depressionen. Jährlich erkrankt in Deutschland rund jede fünfte Frau. Damit sind Frauen deutlich häufiger betroffen als Männer, von denen nur etwa jeder Zehnte pro Jahr neu erkrankt.

Was ist eine Angststörung?

Angst ist zunächst ein natürliches und sinnvolles Alarmsignal des Körpers auf Gefahr. Sie löst eine Reihe von körperlichen Reaktionen aus, die auf Flucht oder Kampf vorbereiten. Dazu gehören Herzrasen, Schwitzen, Beschleunigung des Atmens und Zittern. Angst ist und war evolutionsbiologisch überlebenswichtig, denn sie hilft, Gefahren zu vermeiden.

Bei einer Angststörung ist die Angst jedoch nicht der Realität angemessen - sie entwickelt eine Eigendynamik. So kann es sein, dass eine Betroffene oder ein Betroffener auch in ungefährlichen Situationen übersteigerte Angst empfindet oder sogar Angst vor der Angst (Erwartungsangst) entwickelt. Der Versuch, die angstauslösenden Situationen zu vermeiden, schränkt das Leben nach und nach immer mehr ein. Die Lebensqualität leidet, es kommt zu Problemen in Partnerschaft, Familie und Berufsleben. Menschen, die an einer Angststörung leiden, entwickeln häufiger als nicht betroffene Menschen eine Depression sowie eine Abhängigkeit von Alkohol, Drogen oder Medikamenten.

Wichtig!

Zögern Sie nicht, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn Sie sich betroffen fühlen oder Anzeichen bei sich erkennen. Niemand, der an einer Angststörung leidet, sollte sich für die Erkrankung schämen. Je früher eine Angststörung behandelt wird, umso besser sind die Aussichten auf Heilung.

Ursachen einer Angststörung

Wie und warum Angststörungen entstehen, ist bislang erst in Ansätzen bekannt. Für die verschiedenen Angststörungen gibt es wahrscheinlich unterschiedliche Risikofaktoren. Expertinnen und Experten glauben, dass die persönliche Lebenserfahrung (wie z. B. häusliche Gewalt oder sexuelle Gewalterfahrung), die aktuelle Lebenssituation, die Erziehung sowie Stress und soziale Belastungen (wie z. B. Arbeitslosigkeit) ebenso zur Entstehung einer Angststörung beitragen können wie erbliche Faktoren.

Vermutlich liegen auch biochemische Veränderungen im Gehirn vor und der normale Kampf-Flucht-Mechanismus ist fehlgesteuert. Ein unangenehmes Erlebnis erzeugt zunächst Angst, woraufhin die oder der Betroffene diese Situation zukünftig meidet. Hierdurch bleiben jedoch auch positive Erfahrungen der Selbstwirksamkeit, also ehemals beängstigende Situation aus eigener Kraft erfolgreich bewältigen zu können, aus. Die Angst vor dem gefürchteten Objekt oder der gefürchteten Situation verfestigt sich immer mehr. Eine Heilung ist ohne Behandlung nur selten zu erwarten.

Anzeichen einer Angststörung

Zu den wichtigsten Angststörungen zählen die Panikstörung, die generalisierte Angststörung, die soziale Angststörung und spezifische Phobien.

Panikstörungen machen sich durch plötzliche unerwartete Panikanfälle bemerkbar, bei denen Symptome wie Herzrasen, Zittern, Schwitzen, Luftnot oder Todesangst auftreten.

Wer eine spezifische Phobie hat, leidet an einer Furcht vor einzelnen Objekten oder Situationen, die eigentlich harmlos sind. Darunter fällt zum Beispiel die Angst vor bestimmten Tieren wie Spinnen oder Mäusen, die Angst vor Naturgewalten (Gewitter, tiefes Wasser), vor Höhe oder vor Blut, Verletzungen oder Spritzen.

Menschen mit einer Sozialphobie sind extrem schüchtern und haben besondere Angst davor, auf Kritik zu stoßen. Sie meiden daher Situationen, in denen sie von anderen Menschen bewertet oder beobachtet werden könnten. Das sind zum Beispiel ein geselliges Beisammensein, Veranstaltungen, Prüfungen oder Situationen, in denen sie sich vor anderen äußern müssen. In der Allgemeinbevölkerung sind Sozialphobien weit verbreitet. Am Beginn sind sie von sogenannten normalen Ängsten nur graduell zu unterscheiden. Sehr häufig gehen Sozialphobien mit Depressionen und Alkoholmissbrauch einher.

Eine generalisierte Angststörung ist durch dauerhafte, unrealistische oder übertriebene Ängste und Sorgen sowie Anspannungsgefühle gekennzeichnet, die in den verschiedensten Lebensbereichen auftreten und - im Gegensatz zu vielen anderen Angststörungen - nicht auf bestimmte Situationen beschränkt sind. Symptome wie Herzrasen, Zittern, Schwitzen, Anspannung, Ruhelosigkeit oder Übelkeit treten über den ganzen Tag verteilt auf.

Der Versuch, die angstauslösenden Situationen zu vermeiden, schränkt das Leben nach und nach immer mehr ein. Die Lebensqualität leidet, es kommt zu Problemen in Partnerschaft, Familie und Berufsleben. Menschen, die an einer Angststörung leiden, entwickeln häufiger als nicht betroffene Menschen eine Depression sowie eine Abhängigkeit von Alkohol, Drogen oder Medikamenten.

Diagnose einer Angststörung

Es ist nicht immer einfach festzustellen, wann es sich noch um normale Angst handelt und ab wann eine Erkrankung besteht, die behandelt werden muss. Professionelle Unterstützung sollten Sie dann aufsuchen, wenn Sie einer oder mehrerer der folgenden Aussagen zustimmen:

  • Ich werde durch die Ängste in meiner Lebensqualität und Bewegungsfreiheit erheblich eingeschränkt.
  • Wegen meiner Ängste werde ich immer depressiver.
  • Wegen meiner Ängste habe ich schon Suizidgedanken gehabt.
  • Ich bekämpfe meine Ängste oft mit Alkohol, Drogen oder Beruhigungstabletten.
  • Wegen meiner Ängste ist meine Partnerschaft ernsthaft in Gefahr.
  • Wegen meiner Ängste habe ich Probleme im Beruf oder bin deswegen arbeitslos.

In einem ausführlichen Gespräch wird die Ärztin / der Arzt beziehungsweise die Psychotherapeutin / der Psychotherapeut sich nach Ihren Beschwerden und Ihrer Krankengeschichte erkundigen. Sie/Er wird im Verlauf des Gesprächs nach weiteren psychischen und körperlichen Störungen fragen. Auch bestimmte Fragebögen haben sich für die Diagnose einer Angststörung bewährt. Da viele Frauen, die an Ängsten leiden, auch körperliche Beschwerden haben (wie Schwindel, chronische Unterbauchschmerzen oder Herzrasen), ist unter Umständen auch eine körperliche Untersuchung sinnvoll, um organische Ursachen, wie zum Beispiel eine Schilddrüsenerkran­kung oder Herz­probleme, auszuschließen

Behandlung einer Angststörung

Angststörungen lassen sich im Allgemeinen gut behandeln. Die Aussicht auf eine erfolgreiche Behandlung ist jedoch umso besser, je früher diese erfolgt. Scheuen Sie sich deshalb nicht, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn Sie an starken Ängsten leiden. Welche Art der Therapie für Sie am besten geeignet ist, ent­schei­den Sie zusammen mit Ihrer Ärztin / Ihrem Arzt oder Ihrer Psychotherapeutin / Ihrem Psychotherapeuten, die/der Sie hierzu umfassend beraten kann. Eine wichtige Rolle spielen vor allem der Schweregrad Ihrer Ängste sowie Ihre Wünsche und Vorstellungen. Angststörungen zeigen oft einen sehr wechselhaften Verlauf, daher sollten während der Behandlung auch mögliche Rückfälle beachtet werden.

In Deutschland anerkannte Verfahren sind unter anderem die Verhaltenstherapie und psychoanalytisch begründete Verfahren. Am besten wirksam ist die soge­nannte kognitive Verhaltenstherapie, bei der Sie erlernen, die Denkmuster zu verstehen, die zu Ihren Ängsten führen. Dadurch ist es Ihnen im nächsten Schritt möglich, Ihr Vermeidungsverhalten bewusst zu korrigieren sowie Ihre körperlichen Symptome neu zu bewerten.

Bei einem psychoanalytischen Verfahren werden dagegen unbewusste seelische Konflikte (zum Beispiel aus der Kindheit) aufgearbeitet.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass Sie in Begleitung und im Schutz der Ärztin / des Arztes oder der Psychotherapeutin / des Psychotherapeuten immer wieder in die Angst auslösende Situation geführt werden, bis Sie selbst feststellen, dass die Angst mit der Zeit nachlässt. Auf diese Weise lassen sich in der Regel auch sehr starke Ängste gut behandeln.

In manchen Fällen kann auch eine Kombination mit einer medikamentösen Behandlung nötig sein. Bei schweren Angststörungen kann auch ein Klinikaufenthalt sinnvoll sein. Vor Beginn der Behandlung sollten Sie sich bei Ihrer Krankenkasse erkundigen, ob und für welche Therapien sie die Kosten übernimmt.

Bei einer medikamentösen Behandlung kommen häufig Antidepressiva zum Einsatz, da sie eine angstlösende Wirkung haben. Idealerweise werden sie begleitend mit der Psychotherapie eingesetzt, wenn diese allein keine Besserung der Symptome mit sich bringt. Die Medikamente greifen chemisch in den Hirnstoffwechsel ein und beeinflussen die Botenstoffe Serotonin und Noradrenalin. Die eingesetzten Medikamente können Nebenwirkungen haben. Dazu zählen unter anderem Mund­trockenheit, Kopfschmerzen und Kreislaufprobleme, innere Unruhe und Schlafstörungen sowie Störungen der Sexualität. Diese lassen sich bei richtiger Anwendung oft vermeiden.

Schlaf- und Beruhigungsmittel aus der Gruppe der Benzodiazepine können zwar helfen Ängste zu lösen, werden allerdings zur Behandlung von Angststörungen nicht empfohlen, da diese Medikamente schnell abhängig machen.

Sprechen Sie mit Ihrer Ärztin / Ihrem Arzt über Ihre Vorstellungen und mögliche Nebenwirkungen, die Sie beobachten, damit Sie gemeinsam die beste Lösung finden können.

Was Sie selbst tun können

Wenn Sie feststellen, dass Ihre Ängste überhandnehmen und Sie mehr und mehr beherrschen, sollten Sie zunächst ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen und an den empfohlenen Therapieangeboten teilnehmen. Sie können den Genesungsprozess aktiv unterstützen, indem Sie Sport treiben. 

Regelmäßige Bewegung ist nicht nur gut für den Körper, sondern wirkt sich positiv auf das psychische Wohlbefinden und das Selbstwertgefühl aus. Zudem kann Ihnen eine sportliche Betätigung beispielsweise in einem Tennisverein helfen, einem möglichen Rückzug aus dem sozialen Umfeld entgegenzuwirken. In manchen Fällen können auch Entspannungsverfahren wie die Progressive Muskelentspannung zusätzlich zur Behandlung helfen. Sprechen Sie mit Ihrer Ärztin / Ihrem Arzt oder Ihrer Psychotherapeutin / Ihrem Psychotherapeutin darüber, ob diese Methode für Sie geeignet ist.

Alkohol und Nikotin können eine Angststörung negativ beeinflussen. In manchen Fällen kann auch Koffein (Kaffee, Tee, Cola) die Symptome auslösen oder verstärken. Sie sollten daher generell auf eine ausgewogene Ernährung und eine gesunde Lebensweise achten.

Für den Alltag ist es wichtig, nicht vor der angstauslösenden Situation zu fliehen, wenn diese nicht wirklich gefährlich ist. Gehen Sie dabei schrittweise vor, überfordern Sie sich nicht und freuen Sie sich auch über kleine Erfolge. Treten bei einer Panikattacke körperliche Symptome wie Herzrasen, Schwitzen oder Schwindel auf, vergegenwärtigen Sie sich, dass diese keine schädlichen Folgen haben und Sie die Tätigkeit, mit der Sie gerade beschäftigt waren, fortsetzen können. Dies hilft Ihnen möglicherweise sogar dabei, sich von Ihrer Angst abzulenken. Sprechen Sie mit Ihrer Ärztin / Ihrem Arzt oder Ihrer Psychotherapeutin / Ihrem Psychotherapeuten darüber. Sie/er kann Sie dabei unterstützen, mit angstauslösenden Situationen im Alltag besser umzugehen.

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Letzte Aktualisierung: Juni 2024