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Die unerwartete Auswirkung der weiblichen Fortpflanzungsfähigkeit

Der ständig wiederholte Umbau der Organe des weiblichen Fortpflanzungstrakts während des Sexualzyklus führt über die Jahre zu Fibrose und chronischer Entzündung. Diese unerwartete Auswirkung der weiblichen Fortpflanzungsfähigkeit deckten nun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) an Mäusen auf. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift CELL publiziert.

Die Organe des weiblichen Fortpflanzungstraktes unterliegen während jedes Monatszyklus einem umfassenden Umbau, der den Eisprung oder eine Schwangerschaft vorbereitet. Diese Umstrukturierungen laufen beim Menschen genauso ab wie bei anderen Säugetieren, bei denen sie als „Östruszyklus" bezeichnet werden, dessen Länge von Spezies zu Spezies variiert.

Der immer wiederkehrende Umbau und seine Auswirkungen auf die betroffenen Organe Eierstock, Eileiter, Gebärmutter und Gebärmutterhals sowie die Vagina ist noch wenig erforscht. Viele Arbeiten basierten bislang auf rein mikroskopischen Untersuchungen oder bezogen sich nur auf einzelne Organe oder die Aktivität bestimmter Gene.

Ein Team unter der Leitung von Ângela Gonçalves und Duncan Odom, beide DKFZ, hat nun an Mäusen systematisch die Veränderungen der Genaktivität und der Morphologie in jeder Phase des Zyklus in allen betroffenen Organen untersucht – auf der Ebenen einzelner Zellen und in räumlicher Auflösung. So gelang es den Forschenden, einen Zell-Atlas des weiblichen Reproduktionstrakts zusammenzustellen.

Die Ergebnisse zeigen, dass Bindegewebszellen eine zentrale und sehr organspezifische Rolle beim Umbau des Fortpflanzungstraktes spielen, indem sie die Reorganisation der extrazellulären Matrix und Entzündungen steuern.

Viele physiologische reproduktive Ereignisse wie z. B. Eisprung, Menstruation oder Einnistung der befruchteten Eizelle weisen charakteristische Anzeichen einer Entzündung auf. Die molekularen Signalwege und -moleküle, die diese Entzündung aufrechterhalten, stammen großenteils von Bindegewebszellen, einer der Hauptquellen für entzündungsfördernde Botenstoffe.

Ein bemerkenswertes Merkmal des weiblichen Fortpflanzungstrakts ist seine Fähigkeit, diese zyklisch auftretenden Entzündungen zunächst rasch zu beseitigen und eine normale Fortpflanzungsfunktion wiederherzustellen. Nicht abklingende Entzündungen, in Verbindung mit anderen Alterserschei­nungen, können chronifizieren und zur Fibrose führen.

Anhand ihrer Ergebnisse entwickeln die DKFZ-Forscher ein Modell, in dem der wiederholte Umbau des reproduktiven Trakts über die reproduktive Lebens­spanne hinweg eine allmähliche, altersbedingte Entwicklung von Fibrose und chronischen Entzündungen vorantreibt. Diese Hypothese konnten sie direkt testen, indem sie den Östruszyklus mit Medikamenten ausschalteten. Diese Zyklusblockade reduzierte die fortschreitende Fibrose, während andere Alterungsprozesse weiterhin normal abliefen.

„Beim Menschen steht eine höhere Anzahl von Menstruationszyklen im Leben mit einem höheren Risiko für Gebärmutterkrebs in Verbindung. Wenn chronische Entzündungen und Fibrose auch bei Frauen mit der Anzahl der Zyklen zunehmen, so könnte dies zu einem erhöhten Krebsrisiko beitragen", erklärt Duncan Odom.

Studienleiterin Ângela Gonçalves ergänzt: „Unser Atlas beleuchtet, wie die Befruchtungsbereitschaft, Schwangerschaft und Alterung zusammen den weiblichen Fortpflanzungstrakt formen. Lange Zeit ging man davon aus, dass diese Ereignisse keine Spuren oder Narben in den betroffenen Organen hinterlassen. Unsere Arbeit offenbart den unerwarteten Preis für die weibliche Fortpflanzungsfähigkeit, der durch den ständigen Umbau des weiblichen Reproduktionstrakts entsteht."

Ivana Winkler, Alexander Tolkachov, Fritjof Lammers, Perrine Lacour, Klaudija Daugelaite, Nina Schneider, Marie-Luise Koch, Jasper Panten, Florian Grünschläger, Tanja Poth, Bianca Machado de Ávila, Augusto Schneider, Simon Haas, Duncan T. Odom, Ângela Gonçalves: The cycling and aging mouse female reproductive tract at single-cell resolution.

CELL 2024, DOI: https://doi.org/10.1016/j.cell.2024.01.021 

Zitiert nach einer Pressemitteilung des Deutschen Krebsforschungszentrums vom 07.02.2024