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Weltfrauentag 2024: Warum Frauen häufiger an Alzheimer erkranken

Alzheimer kann uns alle treffen – aber Frauen erkranken deutlich häufiger als Männer. Insgesamt sind zwei Drittel der Erkrankten Frauen, für Deutschland entspricht dies einer Zahl von etwa 800.000 Betroffenen.

Forscher*innen hatten dieses Ungleichgewicht lange der höheren Lebenserwartung von Frauen zugeschrieben, da der größte Risikofaktor für die Alzheimer-Krankheit das Alter ist. Heute weiß man jedoch: Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau an Alzheimer erkrankt, ist höher als bei einem Mann, unabhängig von der jeweiligen Lebenserwartung. 

Als Ursache rückte in den letzten Jahren verstärkt der weibliche Hormonhaushalt in den Blick. Jetzt zeigt ein neuer Übersichtsartikel aus dem Fachmagazin Neuroforum, dass Ursachen auch in den geschlechtsspezifischen Genen zu finden sind. Die Autoren Privatdozent Dr. Alex Yang Liu und Prof. Klaus Faßbender vom Universitätsklinikum des Saarlandes haben drei Faktoren identifiziert, die mutmaßlich dazu beitragen, dass Frauen häufiger an Alzheimer erkranken. Anlässlich des Weltfrauentages am 8. März informiert die gemeinnützige Alzheimer Forschung Initiative e.V. über die neuen Erkenntnisse. 

Faktor 1: Durchblutungsstörungen im Gehirn
Durchblutungsstörungen im Gehirn treten bei rund 80 Prozent der Alzheimer-Erkrankten auf. Ursache dafür ist unter anderem der Abbau von Perizyten. Dies sind Zellen, die den Blutfluss im Gehirn regulieren. Nimmt die Zahl der Perizyten ab, wird das Gehirn nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt und die geistigen Fähigkeiten lassen nach. Außerdem können sich verstärkt schädliche Ablagerungen des Proteins Beta-Amyloid im Gehirn ansammeln, die mutmaßlich zum Absterben von Nervenzellen führen. Die Gene, die die Funktion der Perizyten steuern, liegen auf den männlichen und weiblichen Geschlechtschromosomen. Dies führt zu einer unterschiedlichen Regulation der Perizyten. „Ich denke, der vaskuläre Aspekt ist sehr wichtig, um zu verstehen, warum Frauen häufiger an Alzheimer erkranken. Vor der Menopause haben Frauen ein geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Männer. Nach der Menopause verdoppelt sich bei Frauen nahezu die Häufigkeit von Herzerkrankungen und Schlaganfällen,“ erklärt Yang Liu, Erstautor der Studie. Der Begriff „vaskulär“ bezieht sich auf alles, was mit den Blutgefäßen zu tun hat, also auch auf Durchblutungsstörungen.

Faktor 2: Störung der Informationsweiterleitung im Gehirn
Das Geschlecht beeinflusst bei der Alzheimer-Krankheit auch die Informationsübertragung im Gehirn. Bestimmte Zellen, die sogenannten Oligoden­drozyten, sorgen dafür, dass die Nervenzellen geschützt sind und Informationen schnell ausgetauscht werden können. Es gibt Hinweise, dass diese Oligodendrozyten im Falle einer Alzheimer-Erkrankung bei Frauen weniger stark aktiviert werden als bei Männern. Dadurch bleibt diese Schutzschicht bei Frauen weniger gut erhalten und die Informationsweiterleitung im Gehirn wird stärker beeinträchtigt. Gesteuert werden diese Prozesse vermutlich durch Gene in den Fortpflanzungsorganen, bei Männern in den Hoden, bei Frauen in den Eierstöcken. 

Faktor 3: Geschwächte Immunabwehr
Mikrogliazellen sind ein wichtiger Teil der Immunabwehr des Gehirns. Im gesunden Gehirn wirken sie entzündungshemmend und sorgen wie eine Art Müllabfuhr dafür, dass schädliche Stoffe entsorgt werden. Bei der Alzheimer-Krankheit sind Mikrogliazellen zunächst noch in der Lage, für die Krankheit typischen schädlichen Proteinablagerungen im Gehirn abzubauen. Im Krankheitsverlauf werden die Mikrogliazellen durch ständige Aktivierung zuneh­mend erschöpft. Sie können den Schutz des Gehirns dann nicht mehr gewährleisten, sondern verursachen chronische Entzündungen, die den Abbau der Nervenzellen zusätzlich fördern. 

Mikrogliazellen werden durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst, die ebenfalls vom Geschlecht abhängig sind. Bei Frauen scheinen die Immunabwehr und die Regulation von Entzündungsprozessen schlechter zu funktionieren als bei Männern. „Das Geschlecht beeinflusst auch die Immun- und Entzün­dungs­reaktionen, weil viele Gene, die mit Immunreaktionen zu tun haben, auf dem X-Chromosom liegen“, sagt Yang Liu. Bei Frauen bestehen die Geschlechtschromosomen aus zwei X-Chromosomen, bei Männern aus einem X- und einem Y-Chromosom.

Geschlechtersensible Forschung steht noch am Anfang
Die Erforschung von geschlechtsspezifischen Unterschieden bei der Entstehung der Alzheimer-Krankheit steht noch am Anfang. Das liegt daran, dass in Forschung und Medizin lange Zeit Männer als Maßstab galten. In der Forschung wurden geschlechterspezifische Unterschiede kaum beachtet und in Studien waren die Testpersonen überwiegend männlich. In der medizinischen Praxis wurden Frauen einfach wie kleinere, leichtere Männer behandelt. Seit einigen Jahren wächst das Bewusstsein, dass geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Entstehung und Behandlung von Krankheiten eine wichtige Rolle spielen. Der technische Fortschritt macht es jetzt möglich, dies auch in der Grundlagenforschung zu berücksichtigen. „Jetzt können wir diese winzigen Unterschiede auf molekularer Ebene zwischen Männern und Frauen feststellen, weil die Technologien mittlerweile so weit entwickelt sind, insbesondere die genetische Sequenzierung und die Big-Data-Analyse“, erklärt Yang Liu. 

Privatdozent Dr. med. Alex Yang Liu ist Projektleiter am Centrum für geschlechtsspezifische Biologie und Medizin (CGBM) der Universität des Saarlandes. Der Alzheimer-Experte wurde von der Alzheimer Forschung Initiative e.V. von 2018 bis 2021 für seine Forschung zum Einfluss von Darmbakterien auf die Alzheimer-Krankheit gefördert. 

Quelle: 
https://www.nwg-info.de/sites/nwg-info.de/files/media/pdf/neuroforum/Neuroforum_01-2024.pdf

Zitiert nach einer Pressemitteilung der Alzheimer Forschung Initiative e.V. (AFI) vom 06.03.2024