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Schlaflos in der Pandemie
Stress im Beruf, private Sorgen & Corona: Schlafstörungen nehmen deutlich zu
Schlaflos in der Corona-Krise? Das trifft vor allem auf immer mehr junge Erwachsene zu. Laut einer bundesweiten Datenerhebung der KKH Kaufmännische Krankenkasse ist der Anteil der 19- bis 29-Jährigen mit ärztlich diagnostizierten, nicht organisch bedingten Schlafstörungen von 2010 auf 2020 insgesamt um etwa 70 Prozent gestiegen, bei den Männern sogar um mehr als 80 Prozent. Das ist das größte Plus im Vergleich zu allen anderen Altersgruppen. Der Bundesdurchschnitt liegt bei fast 60 Prozent.
Im ersten Corona-Jahr 2020 behandelten Ärzte bei insgesamt rund 130.000 KKH-Versicherten jeden Alters Schlafstörungen. Hochgerechnet auf ganz Deutschland sind das rund 6,3 Millionen Betroffene. Der große Anstieg ist ein Warnsignal, denn ein dauerhaft gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus belastet nicht nur die Psyche, sondern auch Magen und Darm, erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf- sowie Stoffwechsel-Erkrankungen und Diabetes. „Wer langfristig schlecht schläft, ist außerdem anfälliger für Infekte“, erläutert KKH-Ärztin Dr. Sonja Hermeneit.
Wenig Schlaf: Ein Statussymbol?
Der größte Schlafräuber ist laut einer forsa-Umfrage im Auftrag der KKH – noch vor privaten Sorgen und der Corona-Krise – der Stress im Job. Am meisten betroffen auch hier: die 18- bis 29-Jährigen. Fast 60 Prozent der Befragten in dieser Altersgruppe bringt das Gedankenkarussell rund um die Arbeit um eine erholsame Nachtruhe. Unter den 30- bis 49-Jährigen gibt dies hingegen die Hälfte, unter den 50- bis 70-Jährigen nur noch rund ein Drittel der Befragten an. Gründe können unter anderem Mobbing, mangelnde Anerkennung oder Existenzangst, etwa durch Kurzarbeit oder befristete Verträge, sein. Aber auch eine zu hohe Arbeitsbelastung sowie Zeitdruck spielen eine Rolle. Gerade Berufsanfänger setzen sich am Anfang ihrer Karriere häufig selbst unter Erfolgsdruck. „Für viele Menschen ist wenig Schlaf mittlerweile sogar eine Art Statussymbol, ein Beweis für ihr großes Engagement im Job“, berichtet Hermeneit aus ihren Coaching-Erfahrungen mit Betroffenen. Dies könnte auch einer der Gründe sein, warum die Diagnosen bei Männern so stark angestiegen sind. Dabei ist eine erholsame Nachtruhe die Grundvoraussetzung für Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden.
Mit Chats, Posts und Likes wieder in den Schlaf?
Die Digitalisierung und das zunehmende Verschwimmen der Grenzen von Beruflichem und Privatem führen dazu, dass viele Angestellte scheinbar grenzenlos arbeiten, selbst während der Mittagspause, nach Feierabend und noch kurz vor dem Einschlafen. Gerade die Jüngeren chatten, posten und liken darüber hinaus häufig noch bis tief in die Nacht hinein. So sagt denn auch fast jeder Dritte unter den 18- bis 29-Jährigen, dass er kurz vor dem Schlafengehen noch länger mit Smartphone, Tablet oder PC beschäftigt ist und deshalb keine Nachtruhe findet. Fatal: Rund die Hälfte der Befragten versucht sich bei nächtlichen Schlafstörungen auch noch mit dem Smartphone abzulenken, um wieder in den Schlaf zu finden. Und jeder sechste junge Erwachsene steht auf und versucht, etwas Sinnvolles für den Beruf zu erledigen, bis er wieder müde genug ist, um weiterzuschlafen. Das führt zu einem Teufelskreis, weil die Betroffenen oft völlig verlernen, sich eine Auszeit zu gönnen.
Weg aus der Opferrolle hin zur aktiven Selbsthilfe
Sonja Hermeneit rät Betroffenen, sich die Folgen von andauerndem Schlafmangel bewusst zu machen und den eigenen Umgang mit Stress zu hinterfragen. „Es ist wichtig, sich nicht in die Opferrolle zu begeben, und darauf zu hoffen, dass sich die äußeren Umstände von allein wieder bessern. Betroffene sollten stattdessen überlegen, was sie selbst tun können, um besser zu schlafen.“ Für nächtliche Grübler kann es hilfreich sein, die Gedanken aufzuschreiben und somit erst einmal abzustreifen. Wer trotzdem hellwach bleibt, sollte aufstehen und sich mit etwas Ruhigem beschäftigen, bis die Müdigkeit wieder einsetzt, etwa einen Tee kochen oder Entspannungsmusik hören. Hilfreich kann es laut Hermeneit darüber hinaus sein, in einem Schlaftagebuch zu dokumentieren, wie erholsam die Nachtruhe gewesen ist, welche Störfaktoren es gegeben hat und wie man sich am nächsten Tag gefühlt hat.
„Jeder braucht unterschiedlich viel Schlaf und hat einen anderen Rhythmus“, erläutert die Ärztin. Entscheidend sei, wie ausgeruht und leistungsfähig man am darauffolgenden Tag sei. Dauern Schlafstörungen über einen längeren Zeitraum an oder treten immer wieder auf, sollten Betroffene ärztlich abklären lassen, ob es sich wirklich um psychisch oder doch organisch bedingte Schlafstörungen handelt, die weiter untersucht und behandelt werden müssen. „Auf Schlafmittel sollte immer nur für einen begrenzten Zeitraum bei außergewöhnlichen Belastungen zurückgegriffen werden“, betont Hermeneit.
Zitiert nach einer Pressemitteilung der KKH Kaufmännischen Krankenkasse vom 15.02.2022