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Aktuelle Meldungen

Doppelte Ausgrenzung

Gewalt gegen Frauen mit Behinderung im öffentlichen Raum
Auch Frauen mit Behinderung sind in allen Lebensbereichen von Gewalt bedroht: zuhause, am Arbeitsplatz, in Einrichtungen der Behindertenhilfe – und im öffent­lichen Raum. Je nach Gewaltform erleben sie sogar zwei bis dreimal häufiger Gewalt als Frauen im Bevölkerungsdurchschnitt. Bauliche und kommunikative Barrieren erschweren Betroffenen den Zugang zum Unterstützungssystem. Gleichzeitig stärkt fehlende Zivilcourage bei Gewalt auf der Straße, im Zug oder an anderen öffent­lichen Orten die Täter. Das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" berät Betroffene sowie deren soziales Umfeld und informiert Fachkräfte wie Pflege- oder Betreuungs­personal über Interventionsmöglichkeiten.

Die repräsentative Studie zu "Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland" des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend verdeutlicht das Ausmaß von Gewalt: 68 bis 90 Prozent der befragten Frauen berichten über psychische Gewalt und psychisch verletzende Handlungen im Erwachsenenleben. Bei Frauen im Bevölkerungsdurchschnitt liegt dieser Wert bei 45 Prozent. Gewalt gegen Frauen mit Behinderung hat viele Facetten: Das Spektrum der Taten reicht von Herabsetzungen und Beleidigungen über abwertende Gesten oder das Bewegen des Rollstuhls ohne Rücksprache bis hin zu körperlichen Übergriffen.

In den meisten Fällen wird Gewalt gegen Frauen mit Behinderung durch männliche Täter im sozialen Nahfeld ausgeübt, beispielsweise durch (Ex-)Partner, Verwandte, Pflegepersonal oder Kollegen in Werkstätten für Menschen mit Behinderung. Frauen mit großer Bewegungseinschränkung oder geistiger Behinderung gehören zu einer besonders vulnerablen Gruppe von Betroffenen.

Gewalt vor aller Augen
Doch auch im öffentlichen Raum erleben Frauen mit Behinderung physische und psychische Gewalt. In vielen Fällen nutzen unbekannte Täter eine Behinderung bzw. Beeinträchtigung bewusst aus, um Betroffene in aller Öffentlichkeit zu verletzen und zu erniedrigen.

Im Rahmen der Studie "Gewalt und Gewaltschutz in Einrichtungen der Behindertenhilfe" wurden über 1.000 Menschen mit Behinderung im Alter von 16 bis 65 Jahren in stationären und ambulanten Betreuungssettings befragt. Als Tatpersonen von sexueller Gewalt und sexueller Belästigung wurden am häufigsten unbekannte oder wenig bekannte Personen benannt. Dabei zeigt sich ein klarer Geschlechterunterschied und eine deutlich höhere Betroffenheit von Frauen: Im Vergleich zu Männern erlebten Frauen anteilsmäßig doppelt so häufig sexuelle Gewalt und auch deutlich häufiger sexuelle Belästigungen im Erwachsenenleben. 80 Prozent der betroffenen Frauen mit Behinderung gaben an, ausschließlich oder überwiegend von Männern sexuell belästigt worden zu sein.

Bei der Bereitstellung von Informationen zu Gewalt und möglichen Formen der Unterstützung zeigt die Studie deutliche Lücken auf. Viele Betroffene erhalten nach eigenen Angaben keinerlei Informationsmaterial und scheinen keine externen Beratungsstellen zu kennen. Demzufolge nehmen Betroffene selten professionelle Unterstützung in Anspruch: Nur 18 Prozent der stationär betreuten Frauen bzw. 9 Prozent der ambulant betreuten Frauen informierten laut Studie eine Person aus der Einrichtung darüber, dass ihnen sexuelle Gewalt angetan wurde. Nur knapp jede vierte Frau nahm medizinische Hilfe in Anspruch.

Mehr Öffentlichkeit – mehr Unterstützung
Angebote wie "Weibernetz", das ist die bundesweite Selbstvertretungsorganisation von Frauen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen und Behinderungen, setzen sich gezielt dafür ein, das Thema Gewalt gegen Frauen mit Behinderung öffentlich zu machen und die Unterstützung Betroffener durch Information und Aufklärung zu verbessern. Durch das Engagement konnte beispielsweise erreicht werden, dass es seit 2017 in jeder Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) eine Frauen­beauf­tragte aus den Reihen der Beschäftigten geben muss.

Im 15-köpfigen Beirat des Hilfetelefons "Gewalt gegen Frauen" vertritt Weibernetz-Gründerin Martina Puschke die Interessen von Frauen mit Beeinträchtigungen: "Behinderte Frauen erfahren besonders häufig Gewalt, gleichzeitig sind Beratungs- und Unterstützungsangebote oft nicht barrierefrei zugänglich. Umso wichtiger ist es, dass das niedrigschwellige Hilfetelefon als Erstanlaufstelle möglichst viele Frauen mit Beeinträchtigungen erreicht."

Der Zugang zur Beratung des Hilfetelefons "Gewalt gegen Frauen" erfolgt niedrigschwellig – telefonisch, per E-Mail oder im Chat. Eine Beratung ist darüber hinaus in Deutscher Gebärdensprache und in Leichter Sprache möglich. Die Beraterinnen sind darin geübt, die Regeln der Leichten Sprache anzuwenden, indem sie einfache Sätze formulieren, keine Fremdwörter benutzen und das Gesagte auch mehrfach wiederholen.

Die Beraterinnen des Hilfetelefons sind außerdem für Menschen erreichbar, die den Verdacht haben, dass eine Frau mit Behinderung in ihrem Umfeld Gewalt erlebt. Ehrenamtlich Engagierte und Fachkräfte etwa aus Behindertenwerkstätten oder Pflegeeinrichtungen können sich anonym über einen Fall austauschen, Interventions­möglichkeiten besprechen oder sich über Unterstützungsangebote informieren.

Nutzen Sie unsere Informationsmaterialien
Sie möchten die Öffentlichkeit auf unser Beratungsangebot aufmerksam machen und insbesondere Frauen mit Behinderung empowern? Auf der Webseite des Hilfetelefons können kostenfreie Informationsmaterialien – darunter Flyer in Leichter Sprache und Informationsflyer für Frauen mit Hörbeeinträchtigung – bestellt und ausgelegt werden. Zum Beispiel in Einrichtungen der Behindertenhilfe, in Arztpraxen, inklusiven Sportvereinen oder beim Bäcker um die Ecke. Jeder ausgelegte Flyer erhöht die Chance, dass eine gewaltbetroffene Frau ihr Recht auf Unterstützung wahrnimmt.

www.hilfetelefon.de/materialien-bestellen

Weitere Informationen

Zitiert nach einer Meldung des des Hilfetelefons "Gewalt gegen Frauen" vom 19.09.2024